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Hans Pfaff (links) kennt seinen Paul Flora genau zur Freude von Ausstellungsbesuchern in der Galerie Holbein. (Foto: Babette Caesar)
...Kein bisschen langweilig....
Annette und Hans Pfaff eröffnen in der Galerie Holbein ihre elfte Paul Flora-Ausstellung
Von Babette Caesar Schwäbische Zeitung Erschienen: 18.11.2013
LINDAU Es ist die elfte Paul-Flora-Ausstellung, die das Galeristenehepaar Annette und Hans Pfaff in ihrer Galerie Holbein am Sonntag eröffnet hat. 78 Bilder – 64 Radierungen und 14 Lithographien – bespielen in einzelnen Themenblöcken dicht an dicht die Wände. Ihr subtiler, von Paul Flora immer wieder mit spitzer Feder aufs Blatt gebannter trockener Humor begeistert auch beim elften Mal in der mittlerweile seit 40 Jahren bestehenden Galerie.
Eigentlich, so glaubt der eine oder andere Besucher, müsste man nun fast alle Floras kennen. In einer Reihe von Fällen ist das auch so. Der Trick an der Sache ist, dass die Fülle der Arbeiten dem Erinnerungsvermögen einen Strich durch die Rechnung macht und schon nach dem zweiten oder dritten Mal die Orientierung verloren geht. Venedig-Besucher können ein Lied davon singen, haben sie doch nach kürzester Zeit vergessen, aus welcher der kleinen Gassen oder über welche der vielen Brücken sie gerade gekommen sind.
Hans Pfaff, der 1983 auf Flora traf, beschreibt den 1922 in der angeblich kleinsten Stadt Italiens, in Glurns in Südtirol, geborenen Künstler als groß gewachsenen, eleganten Herrn, der voller Witz war, aber der auch problemlos lange schweigen konnte. Pfaff kennt ihn und sein Werk wie seine eigene Westentasche. Er weiß um das immer wiederkehrende Motiv des Raben, den Flora schlicht aus dem Grund bevorzugte, weil er schwarz und leicht zu zeichnen ist, weil er überall hinpasst und ihm gegenüber Spatzen und Tauben einfach nur lästig sind. Floras Harlekine, Komödianten, Hochradfahrer und Vogelhändler hängen an dünnen Fäden oder schweben einfach so in der Luft. Mal sind auf den Landschaftsmotiven Architekturen der Lagunenstadt schattenhaft im Hintergrund zu erahnen, mal grüßen eine „Venezianische Katze“, spitznasige Pestärzte oder „Akrobatische Clowns“, deren gemusterten Kostüme sich über nahezu das ganze Blatt ziehen und vom Körper kaum mehr als den Kopf übrig lassen.
Floras nüchterne Abgeklärtheit verdeutlicht die Anekdote, dass er 1957 zu Beginn seiner Tätigkeit als Karikaturist bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit einem knappen „Ich mach‘ das“ geantwortet habe. Daraufhin basserstaunt gefragt wurde, wie er sich über Politik auf dem Laufenden halten wolle, wenn er oben auf der Hungerburg in Innsbruck lebe. „Ich les‘ das in der Zeitung“, konterte Flora. 2009 ist er ebendort gestorben. Bis einen Tag vor seinem Tod habe er gezeichnet, erzählt Pfaff. Die Radierungen in einem sehr feinen Strich. Die Lithographien ab den 1990er-Jahren geben sich durch dickere und dichtere Schraffuren zu erkennen.
Als grotesk und zugleich graziös beschrieb Hermann Hesse Floras Zeichnungen. In seinem Werk seien Welten untergegangen, und wir ahnen, dass auch wir untergehen, äußerte sich Friedrich Dürrenmatt. Und Erich Kästner: „Flora schreibt seine Linien so zart und zärtlich aufs Papier, als habe er Angst, ihm weh zu tun – Paul Floras Linien lächeln.“. Dieses Lächeln nimmt den Betrachter gefangen, so dass er nach kürzester Zeit vergisst, wo Anfang und Ende ist.
NEUE Vorarlberger Tageszeitung zur Antes Ausstellung
Schwäbische Zeitung - Kultur
Abbildung rechts : Die Zeitenwaage" 2012
(110 cm x 150 cm)
Abbildung unten : "World scanner" 2012
(120 cm x 90 cm)
www.harald-haeuser.de
Harald Häuser-Retrospektive bei Holbein in Lindau
2012 -von Harald Ruppert -Südkurier
Zum siebten Mal stellt Harald Häuser in der Galerie Holbein in Lindau aus, und diesmal zeigt er eine Retrospektive, die, das läßt sich sagen, eine künstlerische Biografie schreibt. Eine Biografie blickt zurück und versucht das Damals aus der Warte des Heute zu deuten und eine Verbindungslinie zu ziehen. Bei Harald Häuser lässt sie sich schon von der frühesten Arbeit aus dem Jahr 1974 ziehen; der Künstler war damals 17 Jahre alt. Das Bild weist skripturale Elemente im weitesten Sinne auf – Drippings, die noch keine Syntax haben und doch die Anfänge seiner späteren Handschrift sind, in der sich Schrift und Bild durchdringen. Der besondere Reiz der Bildschrift Häusers besteht im Übergang von abstraktem Zeichen und konkreter Darstellung; und darin, dass der Künstler hier einerseits einen automatisch ablaufenden Prozess ins Werk setzt, andererseits aber bewusst gestaltet. Anders als das automatische Schreiben der Surrealisten, in dem die Bewegung der Hand der bewussten Lenkung durch den Kopf zuvorkommen will, bezieht Häusers automatisches Zeichnen den Kopf mit ein – und liefert sich ihm doch nicht aus. Harald Häuser bezeichnet sein Zeichnen, das in seinen neuesten Bildern zu besonders pflanzenhaftorganischen Gebilden wächst, als eine Art Zen-Meditation. Im Zen kommen Gegensätze zur Deckung – man denke an jenen Bogenschützen, der sein Ziel trifft, indem er die Augen schließt. Ähnlich folgen Häusers Zeichen einer blinden Automatik und sind doch bewusst gestaltet. Harald Häuser ist aber auch ein Forscher. 1980 unternahm er, der bis heute Globetrotter geblieben
ist, seine erste Reise nach Indien und stieß dort auf einen ihm völlig fremden Schriftcode, auf den er zeichnerisch reagierte. „Man malt, um etwas zu verstehen“, sagt er heute. Das macht sein automatisches Zeichnen auch zur praktizierten Erschließung des Fremden, wobei er wiederum Zeichenspuren hinterlässt, die uns fremd erscheinen können und erschlossen werden wollen. Erschließung heißt aber nicht Ausbeutung durch Decodierung, sondern Einfühlung in die Gleichzeitigkeit von Schrift und Bild. Harald Häusers Bildschrift ist prinzipiell endpunktlos, und das macht sie zu einer Art unerschöpflichen Rorschach-Test. Zum Unabgeschlossenen bekennt sich Harald Häusers Malerei heute anders als noch vor zehn Jahren. Damals schwammen die Bildzeichen auf der Leinwand, wogten auf ihr wie auf einem Ozean, der sich jenseits der Bildränder weiterzieht, bis zum Horizont. Diese schwarmhaften Zeichen, die auch etwas von einer Invasion hatten, sind in den neuesten Bildern nun aufgelockert; sie füllen nicht mehr den Bildraum, und daraus spricht hinzugewonnene Gelassenheit. Der Gelassene weiß: Wer aus dem Unabschließbaren schöpft, schafft mit dem Wenigen nicht weniger als mit dem Vielen. Der Gelassene kann es sich aber auch leisten, zur Blöße der Kindlichkeit zurückzukehren, in der er sich angreifbar macht. Bei Harald Häuser ist dies in einem vereinzelt auf den Farbschwüngen stehenden Segelschiff zu erkennen: Eine klare, vereinzelt stehende Form, separiert von den nebenstehenden virtuos-komplexen Zeichenketten. Das Schiff als klare Form erscheint naiv in Konkurrenz zu diesen Girlanden, die in ihren Zusammenhängen von Positiv- und Negativformen These und Antithese zugleich sind. Sie scheuen die Behauptung, sind immer im Fließen begriffen; ein Fließen, das sie selbst inszenieren und dem Harald Häuser nun zu vertrauen scheint, durch die Setzung des Schiffes. Es kann als Metapher des Getragenseins gelesen werden, und des Bewusstseins einer Bewegung, die nicht in die Irre führt, sondern einer Zielrichtung des Ankommens folgt, an welchen Ufern auch immer es sich ereignen mag.